Auftritt TRADUKI – Bühne frei für Südosteuropa!

Für den diesjährigen Titel des TRADUKI-Programms auf der Leipziger Buchmesse 2024 haben wir uns beim nordmazedonischen Dichter Nikola Madjirov inspirieren lassen. Dessen poetisch-philosophischer Essay (Ü: Alexander Sitzmann, Sinn und Form) handelt von der „Unzugehörigkeit“, diesem Gefühl, das oft – weit über das Schreiben hinaus – ins ‚echte‘ Leben hineinreicht. „Unzugehörigkeit“ ist kein Spezifikum allein südosteuropäischer Autoren, vielmehr kennen die allermeisten Menschen eine vergleichbare Erfahrung: Schmerzhaft kann es sein, wenn man zu den ‚Seinen‘ – wer auch immer diese sein mögen und wer auch immer damit gemeint ist – auf Distanz geht, sich eine Distanz dazwischendrängt oder eine Nähe gar nie bestand.

Doch nicht nur Schmerz, auch eine schöpferische Kraft kann sich an ebendieser „Unzugehörigkeit“ entzünden: „Ich denke, das ist der stille Fluch der Schriftsteller: die Zugehörigkeit genau in dem Augenblick zu verraten, in dem sie beginnen sich zugehörig zu fühlen», heißt es in besagtem Essay. Ein Fluch? Schon möglich; doch für uns Leser:innen ist es vielmehr ein Segen, wenn der Dichter Madjirov von sich sagt: «Ich fühle mich am Platz in der Höhle der Unzugehörigkeit» und sich dies als literarisch produktiv erweist – der Autor als Höhlenbewohner! Ob alle Autor:innen des diesjährigen TRADUKI-Programms diese Selbstwahrnehmung teilen, darf bezweifelt werden, doch wir möchten in Gesprächen und Diskussionen danach fragen. In einem dürften die eingeladenen Autor:innen jedoch mit Madjirov einig sein, dass «Die Geschichten vergessener Objekte wichtiger sind als die von Heerführern unterschriebenen Briefe und Befehle».

Auf der Bühne unserer beliebten TRADUKI-Kafana sind auch heuer Newcomer und einige Leipzig-Habitués zu Gast. Viele stellen eine von TRADUKI geförderte neue deutsche Übersetzung vor. Darunter Stefan Çapaliku, der sich mit der Unmöglichkeit der Liebe im besetzten Tirana der 40-Jahre auseinandersetzt und Antonela Marušić, die lesbische Lebensrealitäten und soziale Ungleichheiten an der Adria skizziert. Rene Karabash beschreibt das Leben ‚traditioneller‘ albanischer Schwurjungfrauen und an der Seite von Bojan Savić Ostojić flanieren wir über Belgrads Flohmärkte und retten aus der Zeit gefallene Bücher. Tatiana Țîbuleac wiederum nimmt uns mit in die Moldau der 80er und 90er Jahre, Nataša Kramberger stellt sich der Frage nach unserem Umgang mit Umwelt und Natur, und Aleksandar Hemon folgt der Spur einer Liebe zwischen einem Juden und einem Muslim in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs. Mit Zoltán Danyi und László Végel werden wir zwei serbische aber Ungarisch schreibende Autoren aus der Vojvodina vorstellen. Lyrik darf nicht fehlen: wir stellen die preisgekrönte bulgarische Lyrikerin Yordanka Beleva vor, Nikola Madjirov präsentiert uns mit Ivana Jovanovska eine junge Lyrikerin aus Nordmazedonien.

Im Café Europa, auf dieser politischen Bühne der Leipziger Buchmesse, veranstalten wir in diesem Jahr zwei thematische Podien: Das eine diskutiert die slowenische Minderheit im faschistischen Italien, das andere die Situation und Bedeutung des feministischen Diskurses in Südosteuropa. Und dann ist da natürlich noch die ‚one and only‘ Balkannacht im legendären Kino UT Connewitz am Messe-Samstag. Hier wird uns – gemeinsam mit anderen Autor:innen – Barbi Marković mit ihrem »Minihorror« das Fürchten lehren, moderiert von Vivian Perkovic und Amir Kamber, zur Musik der charismatischen kroatischen Sängerin Sara Renar.

Kommen Sie auf einen Kaffee vorbei in die TRADUKI-Kafana (Halle 4 / D 403) und begleiten Sie uns auf unseren Streifzügen durch die mannigfaltige Poesie der Unzugehörigkeit. Sie werden sehen, wie sehr der Dichter-Philosoph Nikola Madjirov recht hat, wenn er sagt: „Geschriebene Worte sind wie Fische, die man in den Brunnen einer neuen Wirklichkeit wirft – ihr Zappeln hält das Wasser sauber!“

 

Ihr TRADUKI-Team