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Frank-Walter Steinmeier würdigt TRADUKI Festveranstaltung mit hochrangig besetzter Podiumsdiskussion im Auswärtigen Amt Berlin
6. November 2014

Mit einer Rede, die seine tiefe Verbundenheit mit TRADUKI zum Ausdruck brachte, eröffnete Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier am 4. November 2014 eine Festveranstaltung zu Ehren des Netzwerks im großen Lesesaal der Bibliothek des Auswärtigen Amts in Berlin.
Er wies darauf hin, dass TRADUKI während seiner ersten Amtszeit als Bundesaußenminister unter seiner Mitwirkung gegründet wurde, und beschrieb die Tätigkeit des Übersetzers als vergleichbar mit der des Diplomaten: „Ein Übersetzer ist also nicht bloß Sprachrohr und Instrument – er gestaltet die Wirklichkeit durch Worte. Seine Sprache schafft Verständnis für Dinge, die den Menschen verschlossen bleiben, weil zwischen Absender und Empfänger kulturelle Gräben sind, die überbrückt werden müssen, wenn wir das Gesagte in seinem ganzen Bedeutungsgehalt erfassen wollen. So verstanden kann ‚übersetzen‘ ja auch auf der ersten Silbe betont werden: ‚ÜBER – setzen‘. Wie der Fährmann, der übersetzt über den Fluss – über das Hindernis, über das Trennende hinweg. Und deshalb hat die Arbeit des Übersetzens was mit Diplomatie zu tun: um zu nachhaltiger Kooperation und Verständigung zu gelangen, müssen wir den mühsamen Weg des Zuhörens und Verstehens gehen.“ Dieser Weg sei in den gegenwärtigen Zeiten weltweiter Krisen und Konflikte besonders wichtig und TRADUKI – „in seiner Form einzigartig“ – leiste einen wertvollen Beitrag dazu. Steinmeier versicherte, das Auswärtige Amt werde sein Engagement für das Netzwerk fortsetzen, und schloss mit den Worten: „Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam weiterhin erfolgreich als Übersetzer und ‚Über-Setzer‘ in der Welt – der literarischen und politischen – wirken.“
Im Anschluss kam es zur Unterzeichnung eines Vertrags zur Erweiterung des TRADUKI-Netzwerks mit dem Kulturministerium der Republik Serbien, bevor in einer durch den Journalisten und Autor Richard Swartz moderierten Podiumsdiskussion die Frage verhandelt wurde: „Wie kann multilaterale Kulturpolitik Zukunft aktiv gestalten?“ Es sprach eine illustre Runde aus Prof. Mirela Kumbaro-Furxhi, Ministerin für Kultur der Republik Albanien, Ivan Tasovac, Minister für Kultur der Republik Serbien, Prof. Andrea Zlatar-Violić, Ministerin für Kultur der Republik Kroatien, S.D. Prinz Stefan von und zu Liechtenstein, Liechtensteinischer Botschafter in Berlin, Prof. Andrei Pleșu, Außenminister a.D. der Republik Rumänien, Andreas Meitzner, Beauftragter für Auswärtige Kulturpolitik und stellvertretender Leiter der Abteilung Kultur und Kommunikation im Auswärtigen Amt, sowie Dr. Michael Schaefer, Botschafter a.D. und Vorstandsvorsitzender der BMW Stiftung Herbert Quandt. Man war sich einig, dass der Kultur eine bestimmende Rolle im Dialog zwischen Nationen und Völkern zukommt. Dr. Schaefer wies zwar darauf hin, dass auch Wirtschaft und Politik große Bedeutung hätten. Ohne Kultur sei aber keine wahre Verständigung möglich: Wirtschaft sei wie der muskulöse Körper, Politik wie der Kopf, aber Kultur sei wie das Herz bzw. die Seele. Zudem, so Prof. Pleșu, sei Kultur im Vergleich eine sehr kostengünstige Investition für einen Staat, die mittel- und langfristig aber größtmögliche Wirkung entfalte. Alle Teilnehmer an der Diskussion unterstrichen dementsprechend, wie wichtig eine weitere erfolgreiche Arbeit des Netzwerks TRADUKI gerade für die Balkanregion, aber auch weit darüber hinaus sei – manch einer wünschte sich gar eine Erweiterung des Netzwerks etwa bis Schweden oder Frankreich. Die Rolle der Übersetzer als Vermittler wurde noch einmal explizit gewürdigt: Prof. Plesu verglich sie mit Engeln, die ja eine Art Übersetzer zwischen dem Göttlichen und dem Irdischen seien, und bezeichnete TRADUKI als eine „Hierarchie von Engeln“.
TRADUKI, 2008 als europäisches Netzwerk für Literatur und Bücher gegründet, hat sich inzwischen zu einem multilateralen, zivilgesellschaftlichen und regionalpolitischen Programm in und für Südosteuropa entwickelt. Herzstück ist immer noch die Übersetzungsförderung. Seit 2008 wurden auf Gesuch von Verlagen insgesamt 672 Übersetzungen ermöglicht: 355 aus dem Deutschen in südosteuropäische Sprachen, 202 aus SOE-Sprachen in eine andere SOE-Sprache, 93 SOE-Bücher ins Deutsche und 22 aus dem Schweizer Französischen und Italienischen in SOE-Sprachen. 478 Titel sind bereits erschienen.
Rede von Außenminister Frank-Walter Steinmeier zur Eröffnung der Tagung des Traduki-Netzwerks im Auswärtigen Amt
Liebe Frau Schoeller, sehr geehrte Ministerinnen und Minister, Exzellenzen, liebe Mitglieder des Traduki-Lenkungsausschusses, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Als wir vor sieben Jahren gemeinsam die Gründung eines Netzwerks für Literatur und Übersetzung initiiert haben, haben wir nicht von ungefähr den Namen TRADUKI gewählt – den Esperanto-Ausdruck für „übersetzen“. Denn solange wir keine gemeinsame Weltsprache sprechen, brauchen wir Übersetzungen – und Übersetzer – die es verstehen, aus dem Sprachwirrwar wieder Klarheit zu schaffen und uns den Sinn dessen zu erschließen, was fremd und unverständlich ist. Deshalb freue ich mich sehr, Sie alle, die Sie TRADUKI mitbegründet und schon lange begleitet haben, heute im Auswärtigen Amt begrüßen zu können.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier bei seiner Eröffnungsrede zum Festakt ©AA
Übersetzen – dahinter steckt viel mehr, als nur ein Wort durch ein anderes, eine Sprache durch eine andere zu ersetzen. Übersetzen heißt, eine ganze Welt abzubilden und für andere zugänglich, verständlich zu machen. Ein Übersetzer ist also nicht bloß Sprachrohr und Instrument – er gestaltet die Wirklichkeit durch Worte. Seine Sprache schafft Verständnis für Dinge, die den Menschen verschlossen bleiben, weil zwischen Absender und Empfänger kulturelle Gräben sind, die überbrückt werden müssen, wenn wir das Gesagte in seinem ganzen Bedeutungsgehalt erfassen wollen. So verstanden kann „übersetzen“ ja auch auf der ersten Silbe betont werden: „ÜBER – setzen“. Wie der Fährmann, der übersetzt über den Fluß – über das Hindernis, über das Trennende hinweg.
Und deshalb hat die Arbeit des Übersetzens was mit Diplomatie zu tun: um zu nachhaltiger Kooperation und Verständigung zu gelangen, müssen wir den mühsamen Weg des Zuhörens und Verstehens gehen.
Dieser Weg ist besonders wichtig in diesen Zeiten von Krisen und Konflikten – insbesondere der Ukraine-Krise, in denen Distanz und Sprachlosigkeit zwischen Ost und West zurück zu kehren drohen. In wenigen Tagen feiern wir zum 25. Mal den Fall der Berliner Mauer – und damit das Ende der jahrzehntelangen Spaltung Europas. Wir sollten alles dafür tun, dass ausgerechnet in diesem Jahr nicht ein neuer Eiserner Vorhang zwischen Ost und West zurückkehrt.
Ich freue mich, dass Andrei Pleşu hier ist, der als scharfsinniger Beobachter in der literarischen wie der politischen Welt zu Hause ist. Sie haben einmal klare Unterschiede zwischen dem Europa des Westens und dem des Ostens konstatiert: „eine Asymmetrie der Erfahrungen, der Mentalitäten, der Offenheit zwischen Ost und West“. In diesen beiden Teilen Europas, die sich schwertun, einander zu verstehen, – so Ihre Worte – „gehen die Uhren einfach anders“.
Es sind Initiativen wie Traduki, die einen wertvollen Beitrag dazu leisten, dass angesichts solcher Unterschiede Verständnis und Verständigung zwischen Menschen entstehen kann. Traduki ist in seiner Form – als breites Netzwerk für Literatur und Übersetzung – einzigartig. Menschen aus den Ländern des Westlichen Balkan, die sich noch vor wenigen Jahrzehnten in bewaffneten Konflikten miteinander befanden, sind durch die Kraft des Wortes – und in Achtung vor dem Wort – hier zusammengekommen. Das ist eines der größten Verdienste von Traduki. Sie alle haben daran Anteil.
Dieses einzigartige Vorhaben wäre noch vor einigen Jahren undenkbar gewesen. Aber Gott sei Dank hat sich das Klima im Südosten Europas gewandelt. Die Menschen der Region haben sich auf den Weg nach Europa gemacht. Fast überall hat sich dieser Aufbruch als ein Katalysator für politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Reformen erwiesen. Bei allen Schwierigkeiten, die noch vor uns liegen: Neue Nähe unter Nachbarn ist entstanden. Hundert Jahre nach den Schüssen von Sarajewo, 15 Jahre nach dem Kosovo-Konflikt ist das ein wahrer Lichtblick.
Die gute Nachricht dieses Tages ist: Traduki wächst weiter. Heute nehmen wir Serbien in das Netzwerk auf. Lieber Kulturminister Ivan Tasovac, seien Sie uns herzlich willkommen.
Genauso wichtig ist: Neue Partner aus der Zivilgesellschaft denken darüber nach, sich einzubringen. Lieber Michael Schäfer, lieber Herr Thoss, kann ich nur versichern: Es lohnt sich!
Für uns im Auswärtigen Amt steht jedenfalls fest: Wir werden unser Engagement fortsetzen.
Wenn ich morgen bei der Westbalkan-Konferenz des Aspen-Instituts mit meinen Kollegen aus der Region zusammentreffe, dann begleitet mich der Gedanke von Traduki – das Über-setzen und Verständlichmachen – auch bei meiner Arbeit dort, wenn wir über die Vertiefung der regionalen Zusammenarbeit mit dem Ziel einer europäischen Integration der ganzen Region nachdenken.
Das intellektuelle und politische Potential des Traduki-Netzwerks kann Verbindungen schaffen, wo vorher unüberbrückbare Hindernisse waren. Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam weiterhin erfolgreich als Übersetzer und „Über-Setzer“ in der Welt – der literarischen und der politischen – wirken.