Nachdem in der „Flüchtlingskrise“ der vergangenen Monate die sogenannte „Balkanroute“ in aller Munde war, stellte sich auch das Netzwerk TRADUKI mit seinem diesjährigen Messeauftritt in Leipzig dieser Thematik und das Programm unter den Titel „Aus, nach und in Südosteuropa. Flucht, Migration, Heimat“. Ist die Region Südosteuropa in den teilweise kriegerischen Umbrüchen der vergangenen dreißig Jahre doch immer wieder Schauplatz von Flucht gewesen und insgesamt bis heute stark von Migrationsbewegungen geprägt, was sich unter anderem auch in der Literatur niederschlägt. Und so stellte Hana Stojić, Programmverantwortliche bei TRADUKI, ein reichhaltiges Potpourri an Lesungen und Diskussionsveranstaltungen zusammen, die vom 17.-20. März 2016 wieder ein sehr zahlreiches Publikum vor die unterschiedlichen Lesebühnen lockten.

Der Blick richtete sich dabei stark auf Jugoslawien und seine Nachfolgestaaten in Vergangenheit und Gegenwart, aber auch etwa auf die Ukraine, Moldawien und Liechtenstein oder einfach den Wiener Flohmarkt. Fragen wurden diskutiert wie „Was tun, wenn dein Vater ein Kriegsverbrecher ist?“ bei einer von Jörg Plath moderierten Lesung des slowenischen Schriftstellers Goran Vojnović oder „Should I stay or should I go“ bei einem Gespräch mit dem Untertitel „Über die Beweggründe auszuwandern und warum man trotzdem bleibt“ mit Ivan Landzhev, Luljeta Lleshanaku und Petar Matović, moderiert von Justus von Daniels. Wie wachsen die Kinder in der Republik Moldau auf, deren Mütter in Westeuropa arbeiten? Wie schreibt man als Schriftsteller in einem neuen Land, in einer neuen Sprache? Was bedeutet die Balkanroute für den Balkan? Viele Fragen wurden aufgeworfen und noch mehr Antwortversuche bzw. Annäherungen unternommen.
Höhepunkt war in diesem Jahr neben der beliebten, schon traditionellen Balkannacht im UT Connewitz – diesmal unter dem Titel „Jenseits der Balkanroute“ – sicherlich auch die Veranstaltung „Vaters Land – geboren in einem Land, das es nicht mehr gibt“, die am 17. März im theater.FACT stattfand: Sieben Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus den sieben Nachfolgestaaten Jugoslawiens, die zwischen drei und dreizehn Jahre alt waren, als ihr Geburtsland bzw. das Geburtsland ihrer Eltern zerfiel, sprachen unter der Moderation der beiden Liechtensteiner Prinz Stefan zu Liechtenstein und Armin Öhri über ihr Verhältnis zu Jugoslawien und den Kulturraum, der seine Nachfolgestaaten noch immer verbindet: Rumena Bužarovska aus Mazedonien, Ervina Halili aus dem Kosovo, Petar Matović aus Serbien, Kristian Novak aus Deutschland/Kroatien, Tanja Šljivar aus Bosnien und Herzegowina, Dragana Tripković aus Montenegro und Goran Vojnović aus Slowenien. Für die Ex-Jugoslawen im Publikum wurde es ein sehr emotionaler Abend, für die anderen in jedem Fall berührend und aufschlussreich.
Hervorzuheben ist noch, dass Brigitte Döbert in diesem Jahr für ihre von TRADUKI geförderte Übersetzung des Romans Die Tutoren von Bora Ćosić mit dem renommierten Leipziger Übersetzerpreis ausgezeichnet wurde. Auch an dieser Stelle herzlichen Glückwunsch!
Programm
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