Gemeinsam mit dem Amt für Kultur und der Kulturstiftung Liechtenstein luden wir die bosnische Autorin Lejla Kalamujić und die slowenische Schriftstellerin Anja Mugerli zu einem Aufenthalt nach Balzers ein, wo sie sich mehrere Wochen dem Schreiben widmen konnten. Kalamujić, die im November auf der Buch Wien lesen wird und deren jüngstes Buch Denk dir die Stadt kürzlich in der deutschen Übersetzung von M. Alpermann erschienen ist, trat ihren Residenzaufenthalt im Sommer an. Mugerli, die für ihren Erzählband Čebelja družina mit dem EU-Literaturpreis 2021 geehrt wurde, folgte im September und nahm außerdem an der Konferenz Werkstätten des Flüchtigen in Schaan teil.

In ein paar kurzen Passagen teilen die beiden Autorinnen ihre Eindrücke mit uns:

 

Lejla Kalamujić

Ich habe die Zeit genutzt, um mein neues Stück („Na slovo F“) fertigzustellen, in dem es um psychische Gesundheit und das Queersein geht. Die Handlung spielt in einer psychiatrischen Klinik in Sarajevo, wo sich Nela und Alen begegnen. Beide sind queer und das ist einer der Gründe, warum sie in der Klinik gelandet sind. Das Stück soll nächstes Jahr veröffentlicht werden. Ein weiteres Projekt, an dem ich während meines Aufenthalts gearbeitet habe, ist ein Roman („Kuća cvijeća“). Es ist ein autofiktionales Projekt, in dem ich über das Leben meiner Familie in den 1980er Jahren in Jugoslawien schreibe. Die Protagonistin wurde 1980 geboren und lebt in Sarajevo, abwechselnd bei den Eltern ihres Vaters und ihrer Mutter. Ihre Mutter ist 1982 gestorben. Der Roman beginnt kurz vor dem Zerfall Jugoslawiens, als sie mit ihren Großeltern zum Grab ihrer Mutter geht. Wegen der Blumen, die sie dort pflanzen, nennt sie es das „Haus der Blumen“. Mein Ziel ist es, zu zeigen, wie neben dem Alltag und den Träumen von der Zukunft ihre Trauer „so groß war, dass am Ende der Tod eines ganzen Landes darin Platz fand“.

 

Anja Mugerli

Während meines vierwöchigen Aufenthalts im Turmhaus in Balzers konzentrierte ich mich auf meine erste Liebe, das Schreiben von Kurzgeschichten, und auf die Fertigstellung der letzten Fassung meines Romans Pričakovanja (Erwartungen). In dem Roman geht es um Unfruchtbarkeit und künstliche Befruchtung, zwei Themen, die in der Literatur nur selten, wenn überhaupt, vorkommen, was angesichts der zunehmenden Unfruchtbarkeit sowohl bei Frauen als auch bei Männern interessant ist (einigen Daten zufolge gilt eines von sieben Paaren als unfruchtbar). Dies zeigt, dass das Thema Unfruchtbarkeit immer noch ein Tabu ist. Die Protagonistin des Romans, eine Radiojournalistin und Dichterin, erfährt von ihrer Unfruchtbarkeit gerade dann, als ihr Leben endlich finanziell und wohnungsmäßig „stabil“ ist und sie sich bereit fühlt, das Kind zu bekommen, von dem sie und ihr Partner immer geträumt haben. Eine künstliche Befruchtung scheint aber die einzige Möglichkeit für sie zu sein, doch während des Eingriffs fragt sich die Protagonistin zunehmend, ob das fiktive Kind, das sie sich wünscht, den Missbrauch ihres eigenen Körpers und letztlich ihres Geistes wirklich wert ist.